Sexualisierte Gewalt

Sexualisierte Gewalt

Sexualisierte Gewalt ist eine Form der Gewalt, die sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung einer Person richtet. Sexualisierte Gewalt ist strafbar (auch in der Partnerschaft) und Sie haben das Recht, Anzeige zu erstatten, die Polizei muss Sie anhören und eine Ermittlung gegen den Täter oder die Täterin einleiten.
Rufen Sie in akuten Notsituationen sofort Hilfe!

Wir möchten im Folgenden ausführlicher darauf eingehen, was Sie tun können, wenn Sie vergewaltigt wurden oder einen sexuellen An- oder Übergriff erfahren haben. Dies ist uns wichtig, da wir Sie dabei unterstützen möchten, Ihren eigenen Umgang mit der Tat zu finden. Denn uns ist bewusst, dass bei Sexualdelikten ein Strafprozess, vor allem bei Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen, in der Regel sehr belastend und mitunter retraumatisierend ist. Darum sehen wir unsere Aufgabe auch darin, Sie bestmöglich zu informieren. Denn uns geht es um die Durchsetzung Ihres Willens und Ihrer Bedürfnisse.

Es ist sinnvoll, eine Anzeige über Ihre*n Rechtsanwält*in zu erstatten oder sie persönlich/schriftlich/telefonisch bei der Kriminalpolizei zu stellen (zuständig ist die Abteilung für Delikte am Menschen, LKA 413, in der Keithstraße, Berlin-Tiergarten). So vermeiden Sie mehrfache Befragungen.

Natürlich können Sie auch bei jeder anderen Dienststelle oder online über die Internetwache Anzeige erstatten. Sie werden danach aber ebenfalls zur Vernehmung bei der Kriminalpolizei vorgeladen.

Sie müssen nicht allein zur Polizei! Sie können von Ihremr Anwält*in, der psychosozialen Prozessbegleitung oder von einer anderen Vertrauensperson begleitet werden, sofern diese nicht selbst Zeug*in ist.

Machen Sie unbedingt vollständige Angaben und lassen Sie nichts aus, auch wenn Ihnen das unangenehm ist. Denn eine unvollständige Aussage kann erhebliche Nachteile im Prozessverlauf nach sich ziehen. Darum ist es sinnvoll, sich schon vor der Aussage anwaltlich hierzu beraten zu lassen.

Wenn Sie psychologische Hilfe in Anspruch nehmen möchten, besprechen Sie am besten mit Ihrem*r Anwält*in, ob sich dies im Verfahren auswirken könnte. Häufig kann es sinnvoll sein, zumindest zunächst die polizeiliche Vernehmung abzuwarten.

  • Sie müssen nicht allein zur Polizei. Nehmen Sie Ihren Anwält*in oder eine andere Vertrauensperson mit.
  • Sie müssen zu einer Vernehmung nur erscheinen, wenn Sie die Staatsanwaltschaft oder das Gericht vorlädt.
  • Sie haben das Recht auf einen Übersetzer*in, wenn Deutsch nicht Ihre Erstsprache ist.
  • Teilen Sie der Polizei mit, wenn Sie von einer Frau*oder Person gleichen Geschlechts vernommen werden wollen. Für Trans*- Personen gilt dieses Recht unabhängig von Ihrem Geschlechtseintrag im Pass. Sie dürfen darauf bestehen!
  • Sie dürfen jederzeit nachfragen, warum Ihnen eine Frage gestellt wird.
  • Wenn Sie etwas nicht verstehen, fragen Sie nach.
  • Verlangen Sie eine Pause oder Unterbrechung, wenn Sie erschöpft sind.
  • Brechen Sie die Vernehmung ab, wenn Sie sich schlecht behandelt fühlen und sagen Sie erst später bei der Staatsanwaltschaft aus.
  • Wenn Sie unmittelbar nach der Tat Anzeige erstatten, kann die Kriminalpolizei Sie zur ärztlichen Untersuchung bringen. Körperliche Verletzungen werden oft direkt bei der Polizei mit Fotos dokumentiert.
  • Lesen Sie das Vernehmungsprotokoll immer genau durch, bevor Sie es unterschreiben. Überprüfen Sie, ob es wirklich genau das enthält, was Sie gesagt haben. Dabei geht es um Ihren Wortlaut und Ihre Formulierungen. Wenn etwas nicht stimmt, dann korrigieren Sie dies. Wenn Sie etwas nicht verstehen, dann sagen Sie das.
  • Das Protokoll muss in Ihre Erstsprache übersetzt werden.

Es ist allein Ihre Entscheidung, ob Sie eine Anzeige bei der Polizei erstatten. Wir beraten Sie hierzu gern.
Wichtig: DNA-Spuren können nur innerhalb der ersten 72 Stunden (3 Tage) nach der Tat gesichert werden. Wenn Sie nicht gleich zur Polizei gehen wollen, gibt es die Möglichkeit der vertraulichen Spurensicherung.

Sie können auch zu einer Fachberatungsstelle oder Opferhilfeeinrichtung gehen. Diese Beratung ist kostenlos. Eine geeignete Beratungsstelle in der Nähe finden Sie beispielsweise auf dieser Seite. Eine Liste für Notrufnummern finden Sie auch weiter unten.

Je nach Schwere des Deliktes kann eine Anzeige nicht mehr zurückgezogen werden, die Verfolgung der Straftat und die Ermittlungsarbeit der Polizei liegen dann im öffentlichen Interesse.

Deshalb ist es gut, wenn Sie selbst die Entscheidung über eine Anzeige treffen. Eine Anzeige muss nicht sofort nach der Tat erfolgen. Eine Vergewaltigung beispielsweise verjährt erst nach 20 Jahren. Bis dann kann die Tat also verfolgt werden.

Beachten Sie aber: Je früher Sie die Polizei benachrichtigen, desto eher können flüchtige Täter*innen gefunden und Spuren gesichert werden. Auch Hausdurchsuchungen werden eher direkt nach einer Tat angeordnet bzw. sind dann eher erfolgreich. Eine schnelle Strafanzeige erhöht in der Regel die Erfolgsaussicht einer Verurteilung.

Sehen Sie auch hier: Wie sichere ich Beweise?

Unabhängig vom Strafverfahren können Sie mit Hilfe des Gewaltschutzgesetzes ggf. ein Kontakt- und Näherungsverbot zum Schutz vor weiteren Übergriffen oder Belästigungen durch den Täter oder die Täterin beantragen.

Eine vertrauliche Spurensicherung wird ohne polizeiliche Anzeige durchgeführt. Sie ist kostenlos.

Bei der Untersuchung werden Sie rechtsmedizinisch untersucht und all Ihre sichtbaren Verletzungen werden dokumentiert. Alle Spuren, speziell auch DNA-Spuren, werden für ein Jahr gespeichert. Diese Dokumentation ist gerichtsfest. Das heißt, dass sie in einem späteren Gerichtsverfahren benutzt werden können, falls Sie sich in diesem Jahr für eine Anzeige entscheiden. Nach der Frist werden die Beweismittel entsorgt.

Wichtig: Eine Spurensicherung ist nur innerhalb der ersten 72 Stunden (3 Tage) möglich. Je früher sie gemacht wird, desto besser. Insbesondere K.O.-Tropfen sind nur wenige Stunden in Blut oder Urin nachweisbar.

Die vertrauliche Spurensicherung kann über die Gewaltschutzambulanz an der Charité Berlin durchgeführt werden. Vereinbaren Sie hierzu unbedingt einen Termin unter der Telefonnummer: +49 30 450 570 270. Telefonische Sprechzeiten sind Montag bis Freitag von 08:30 – 15:00 Uhr.
Untersuchungen finden Montag bis Freitag von 08:00 – 16:00 Uhr statt. Zur Untersuchung müssen Sie Ihren Personalausweis und Ihre Krankenversicherungskarte mitbringen.
Die Mitarbeiter*innen unterliegen der Schweigepflicht – auch gegenüber der Polizei und den Gerichten. Weitere Informationen, auch auf anderen Sprachen finden Sie auf der Seite der Gewaltschutzambulanz.

Wer eine psychosoziale Prozessbegleitung hat, wird von einemr Sozialarbeiter*in im Ermittlungsverfahren und vor, während und nach der Hauptverhandlung unterstützt. Sie werden zu den verschiedenen Terminen begleitet, bekommen Informationen rund um das Strafverfahren und werden über die Aufgaben der unterschiedlichen Beteiligten am Strafverfahren aufgeklärt. Aufgabe der psychosozialen Prozessbegleitung ist es, die betroffene Person zu stabilisieren und zu entlasten.

Einen Anspruch hierauf haben Kinder und Jugendliche, die Opfer von Gewalt- und Sexualdelikten geworden sind, Erwachsene, wenn sie ihre Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen können oder besonders schutzbedürftig sind.

Auf Antrag kann das Gericht die Prozessbegleitung beiordnen, sodass Ihnen keine Kosten entstehen. Der Antrag kann mit der Anzeige bzw. Vernehmung bei der Polizei oder bei der Staatsanwaltschaft gestellt werden.

Ausführlichere Informationen finden Sie bspw. auf der Seite von LARA – Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Frauen*.

  • Machen Sie Fotos (vom Tatort, von Verletzungen und Beschädigungen).
  • Bewahren Sie beschädigte und verschmutzte Kleidung in einer Papiertüte auf.
  • Notieren Sie Namen und Anschrift von Zeug*innen. Reden Sie mit einer Vertrauensperson, denn auch sog. Zeuginnen vom Hörensagen (also Menschen, denen Dinge nur erzählt wurden) können später hilfreich sein.
  • Drucken Sie relevante Chatverläufe aus oder speichern Sie sie an einem sicheren Ort.
  • Fertigen Sie ein Gedächtnisprotokoll an: Dieses kann kurz und in Stichpunkten gehalten sein und dient als Stütze, damit Sie auch später die Erlebnisse mit Ihren eigenen Worten wiedergeben können. Ob das Protokoll dann im Verfahren genutzt werden kann, können Sie mit Ihrem*r Anwält*in abstimmen.